Cellesche Zeitung, 23.10.2017 von Anke Schlicht

„Weißer Wall“ wird zur Kunst-Gasse

Spray-Aktion sorgt dafür, dass Straßenname nicht mehr so recht passen will

© Anke Schlicht

 

ALTSTADT. „Muss die Straße nicht umbenannt werden?“, ist aus den Reihen der angesichts des Dauerregens erstaunlich vielen Besucher der dritten großen Aktion von „Kunst – hier auch!“ zu hören. Sie zielen ab auf den Namensteil „weiß“, der zum Schauplatz am Eingang der Altstadt seit dem Wochenende nicht mehr passt. Der unscheinbare „Weiße Wall“ hat sein Gesicht verändert.

Vier ganz unterschiedliche und doch alle miteinander in Beziehung stehende Kunstwerke schmücken seit Samstag die bisher kahle Häuserwand gegenüber der Apotheke. Celles bekanntester Street-Art-Künstler, Jörg „Artes“ Pippirs, sprüht im Sprühregen nicht selbst, er hat fünf regionale Kollegen gewinnen können, um „etwas Modernes ins Fachwerk zu bringen“, „das Karierte aufzubrechen“. Für die Zielsetzung des Ateliers auf der Straße finden die Veranstalter des dreiwöchigen flächendeckenden Events „Pro Altstadt“ und die Akteure verschiedene, aber alle gleichermaßen zutreffende Formulierungen.

„Die fünf haben hier ein Forum, das zu machen, was sie wollen. Künstlerische Freiheit gibt es sonst doch kaum noch“, erläutert Pippirs, während in der Mitte der Wand zwei großflächige Bilder des Duos YFV und Frank Ehlerts entstehen. Sehr klein, aber dennoch überaus aussagekräftig wirken daneben die drei gerahmten Fotos von Karl Thun. Auch er sprüht nicht, sondern hat im Vorfeld Ausschnitte von Graffiti, die einst an Häusern in der Celler Hafenstraße prangten, fotografiert. „Die Struktur der abblätternden Werke interessiert mich, ich habe reduziert, wenig, immer weniger, das war mein Motto“, erklärt Thun. Einen ganz anderen Ansatz verfolgt Timm Roth: „Ich bin ein Fan der 80er, ich bringe hier einen Toaster im damaligen Design auf die Wand.“ Doch Toaster ist nicht einfach Toaster.

Noch sind die Bilder nicht fertig, wetterabhängig werden sie finalisiert und von Pippirs mit rahmenden Details versehen. Interpretieren lassen sich der Schriftzug von Ehlert, die Auseinandersetzung mit Stadt und Raum von YFV sowie Roths Toaster und Thuns Fotos jetzt schon. Im Reim, den sich jeder Passant auf die Werke macht oder auch nicht, entspinnt sich ein stetiger Dialog zwischen den Künstlern und den Bewohnern und Besuchern der Stadt. Wie sich dieser entfalten wird, ist offen. Fest steht: Die Celler Altstadt ist bunter geworden.

© Anke Schlicht

Vier ganz unterschiedliche und doch alle miteinander in Beziehung stehende Kunstwerke schmücken seit Samstag die bisher kahle Häuserwand am „bunten“ Wall.