"Kunst - hier auch!" in Celle: Mit Zeichenblock und Cello unterwegs

Der Zeichenblock ruht auf den Knien. Mit flinker Hand tanzt der Kugelschreiber der Seniorin über das Papier, zaubert –begleitet von den Klängen eines Cellos – ein italienisches Idyll in den Block. Wanderer bleiben stehen, fühlen sich versetzt in die Zeit der Romantik, spenden Beifall. Es entstanden bemerkenswerte Werke, wenn die Eheleute Inge (80) und Hans-Jürgen Frisius (82) auf Reisen gehen.

 

CELLE. Seit Jahren hat die Künstlerin, die sich durch morgendliche Gymnastik, Radfahren und Waldläufe fit hält, den Vorsitz im „Bund bildender Künstler (BBK) Celle“ inne. Dieses Ehrenamt will sie Ende des Jahres in jüngere Hände legen. Andrea Rauser, Studienrätin für Kunst und Französisch am Hermann-Billung-Gymnasium, soll designierte Nachfolgerin sein.

„Das Organisieren großer Gruppenausstellungen in Celle, Uelzen, Hannover und den Celler Partnerstädten in Finnland und England, der Termin- und Transportstress, all dies hinterlässt bei aller Freude doch Spuren“, räumt die agile Künstlerin Inge Frisius ein. Sie will nur noch Eine unter Gleichen im BBK Celle sein und sich weiter auf das Produzieren von Kunst beschränken.

Ihre Arbeitsthemen sind so vielschichtig wie das Leben. Installationen, Performances und Zeichnungen begleiten ihr Schaffen. Stillleben, Landschaften, Reiseimpressionen, Köpfe, Bäume, Hochgebirge, Gärten, Architektur, Städte, Wüste, Blumen waren ihre Themen. Reisen nach Tunesien, Israel, Ägypten, Andalusien, England, Finnland und Amerika haben in ihren Werken deutliche Spuren hinterlassen. Kreidezeichnungen, Aquarelle und Acrylbilder und immer wieder der Griff zum schwarzen Kugelschreiber führten zu Gruppen- und Einzelausstellungen im In- und Ausland. Zweimal durfte sie mit ihren Werken in die Gotische Halle des Celler Schlosses – zuletzt zu ihrem 80. Geburtstag vor Jahresfrist. Das habe sie besonders gefreut, berichtet die Seniorin. Spaß mache ihr das Arbeiten mit Schaufensterpuppen. So habe sie im Bahnhof Eschede am Gleis eine Gruppe Reisender entstehen lassen und nach Erlösung heischende Puppenhände in einen Kasten verbannt. Es entstanden eindrucksvolle und nachdenklich machende Werke.

„Der Malerei und der Musik waren wir schon immer zugetan“, berichtet sie. Mit „wir“ meint sie sich und ihre Zwillingsschwester.„Korinna hat das Malen aber letztlich zu Gunsten der Musik aufgegeben, was schade, aber auch verständlich ist. Schließlich habe die Musik in der Familie eine große Rolle gespielt“.

Inge Frisius verdiente ihren Lebensunterhalt als Textildesignerin, ihr Ehemann Hans-Jürgen als Rechtsanwalt und Notar. Als Cellist spielte er in verschiedenen Celler Formationen. Besonders stolz sind die Frisius‘ auf ihre drei Kinder Mareile (51, Ärztin in Berlin), Anne (48, Filmemacherin in Bremen) und Jobst (48, Arzt in Hannover). Gefragt nach dem nachhaltigsten Eindruck ihres Lebens, schildert Frisius eine bizarre Szene: „Mit meiner leider 2012 verstorbenen Malerfreundin Marianne Rust war ich in Tunesien. Es war ein wunderschöner Abend mit rosa Wolken, blauem Himmel, Stille und licht schimmernder Wüste. Das wollten wir unbedingt in unseren Zeichenblocks festhalten. Während sich Marianne eine Kutsche mietete, wollte ich das Erlebnis pur und mietete mir nur ein Kamel. Ein ungemein breites Tier, das mir kaum Halt bot und mich mit seinem Passgang in außerordentliche Schwierigkeit brachte, zumal ich in einer Hand krampfhaft Block und Kugelschreiber hielt.“

Ganz zurückziehen von der Kunst, das mag Inge Frisius nicht. Ihre Wünsche sind bei aller Kreativität reduziert und auf das Wesentliche gerichtet. „Wir möchten gesund bleiben und so lange als möglich in den eigenen vier Wänden leben können.“

Autor: Gert Neumann, geschrieben am: 25.10.2013